Demokatiepolitische NGOs bewerten Zustand der Infrastruktur der Demokratie
in erstmaligem Pilotprojekt bei 57 % – Kreutner: „Es braucht vor allem Transparenz und Kontrolle, sonst zeigt das Auswirkungen auf unsere Demokratie“
Wien – Am Donnerstag, dem 24. November wurde in Österreich ein neuer Demokratie-Index in einem ersten Pilotprojekt präsentiert. Bewertet wurden dabei die sieben Säulen der Infrastrukutur der Demokratie: Souverän, Parteien, Legislative, Exekutive, Justiz, Medien, Zivilgesellschaft und deren Ausgestaltung auf über 100 Anforderungen geprüft.
Die Bewertung orientiert sich dabei an internationalen Grundlagen und Empfehlungen sowie den jeweils fortschrittlichsten und liberalsten Regelungen von Demokratien nach europäischem Standard: wie gut vorhandene Regelungen im Hinblick auf eine moderne, liberale Demokratie ausgestaltet sind, und welche Regelungen es eigentlich benötigen würde, die aber immer noch fehlen.
Anders als bei anderen Indeces handelt es sich nicht um einen wissenschaftlichen Vergleich mit anderen Staaten, sondern um eine praktische Bewertung Österreichs durch demokratiepolitische NGOs mit der entsprechenden Fachexpertise.
Ergebnis 2022: Infrastruktur der Demokratie in Österreich bei 57 %
Der Demokratieindex sieht die Ausgestaltung der Infrastruktur der Demokratie in Österreich 2022 aktuell bei 57 %. Der Bereich Souverän mit der Bewertung der Grundrecht, digitalen Grundrechte und Zugang zur Staatsbürgerschaft weist einen Wert von 66,5 Prozent aus, der Bereich der Parteien mit Wahlen und Partienfinanzierung zeigt den gleichen Wert, wobei die Parteienstruktur mit 89,5 Prozent einen sehr Wert aufweist.
Legislative und Exekutive liegen mit 43,3 und 31,2 Prozent hinter allen anderen Säulen (da vor allem Transparenz und Kontrolle zu wenig ausgebildet sind), der Wert für die Judikative liegt im Schnitt bei 58,5 Prozent. Für den Bereich Medien (Medienfreiheit, Unabhängigkeit, Vielfalt) einen Wert von 67,8 Prozent, die Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft sieht der Demokratieindex bei 62,3 Prozent. Alle Ergebnisse sind unter www.demokratieindex.at einsehbar.
Die Ergebnisse des Demokratieindex 2022 zeigten klar:
- Transparenz und Kontrolle der Systeme sind die vordringlichsten Themen quer über alle Säulen hinweg. Gerade die Situation der vergangenen Monate mache deutlich wie wichtig effektive Maßnahmen wären.
- Darüber hinaus steht der Schutz der Rechte des Einzelnen im Mittelpunkt: vom Whistleblower-Schutz beim Aufzeigen von Missständen über digitale Grundrechte zum Schutz vor staatlicher Überwachung bis zum besseren Zugang zur Staatsbürgerschaft als nötige Grundlage für demokratische Partizipation.
- Und: Die Stärkung der demokratischen Öffentlichkeit durch Sicherstellung von unabhängigem Journalismus und zivilgesellschaftlicher Organisationen durch bessere Finanzierungsmöglichkeiten.
Transparenzoffensive als Gebot der Stunde
Der Bundespräsident hatte dem Haus der Demokratie zuletzt einen Wasserschaden attestiert, der auch an die Substanz unserer Demokratie und ihrer Infrastruktur gehe. Das zeigt sich nun auch in den Ergebnissen im Demokratieindex.
Stellvertretend für acht NGOs präsentierten Martin Kreutner vom Antikorrutionsvolksbegehren gemeinsam mit Marion Breitschopf (Meine Abgeordneten) und Paul Grohma (Wahlbeobachtung.org) die Notwendigkeiten, die sich aus Ergebnissen ergäben. Für die Initatiorinnen und Initiatoren stellt der vorliegende Index der Infrastruktur der Demokratie in Österreich für das Jahr 2022 kein gutes Zeugnis aus.
Sie sehen daher eine Transparenzoffensive als Gebot der Stunde. Martin Kreutner vom Antikorruptionsvolksbegehren: „Die Situation zeigt klar, es braucht vor allem Transparenz und Kontrolle mit allem was dazugehört: ein Informationsfreiheitsgesetz, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz sowie Ethik- und Compliance-Regelungen. Denn Politik darf sich nicht nur am Strafrecht orientieren. Sonst zeigt das auch Auswirkungen auf unsere Demokratie.“
Dabei wären diese Verbesserungen durch Regierung und Parlament einfach umsetzbar. Würde man die wesentlichsten Punkte verwirklichen, würden auch die Werte im Demokratieindex stark nach oben gehen. Der Index soll für nächstes Jahr erweitert und ergänzt werden und ab nun jährlich erscheinen.
Bewertung von acht demokratiepolitischen NGOs
Der Demokratieindex wird von acht demokratiepolitischen NGOs erstellt und fasst die ihre Bewertungen zu sieben Säulen der Infrastruktur der Demokratie zusammen. Dies sind das Rechtsstaats- und Antikorruptionsvolksbegehren, die politische Transparenzplattform Meine Abgeordneten, Wahlbeobachtung.org, das Forum Informationsfreiheit, die digitale Grundrechts-NGO epicenter.works, der Gründungsverein Demokratiestiftung, der Pressclub Concordia und die Zivilgesellschaftsorganisation Respekt.net.